DER STAUB DES TODES

Uranmunition und ihre Folgen

Eine Spurensicherung von Claus Biegert

Sendetermin:     4. Dezember 2008, 20.30 Uhr

Produktion:        2. Dezember 10:00 – 17.30 Uhr / Studio 13

Regie:                 Claus Biegert

Sprecher 1:        Claus Biegert

Sprecher 2:        Sabine Kastius

Sprecher 3:        Gert Heidenreich (Zitator/ Voice-over)

Musik: Rahim Alhaj „Chant for Hani“

O-Ton 1: Präsident Bush aus der Tagesschau (über Musik)

My fellow Americans, major combat operations in Iraq have ended. In the battle of Iraq the United States and their allies have prevailed.

O-Ton 2: Kriegsgeräusche

O-Ton 3: Arnim Stauth, Kriegsberichterstatter (über Musik)

Eine entscheidende Eigenschaft eines Journalisten sollte sein, grundsätzlich immer erst mal Zweifel zu haben an offiziellen Verlautbarungen, vor allem dann, wenn es politisch heikle und sensible Felder sind. Der Krieg ist natürlich eines der heikelsten Felder, (ab hier langsam ausblenden) da kein offizielles Wort gesprochen wird, ohne dass ein ganz starkes Interesse dahinter ist.

(Musik und Explosionsgeräusche verschlucken den O-Ton und ergeben einen Soundteppich für Titel)

Nachrichtensprecher:

D E R   S T A U B   D E S   T O D E S

Uranmunition und ihre Folgen

Eine Spurensuche von Claus Biegert

O-Ton 4: Stauth (Musik und Kriegsgeräusche verschwinden unter

dem O-Ton)

Der Krieg ist natürlich eines der heikelsten Felder, da kein offizielles Wort gesprochen wird, ohne das ein ganz starkes Interesse dahinter ist. Wenn man da grundsätzlich kritischer ist und Zweifel hat, kommt man oft auch auf Themen, die explosiv sind, die brisant sind, die man nicht an der Front sich holen muss, sondern die hinter der Front und mehr in der Tiefe liegen, als in der Breite. Man darf sich da nicht festlegen, man muss offen sein für alle Richtungen. Aber offen sein für alle Richtungen heißt halt auch, unkonventionelle Interpretationen, die der offiziellen Leseart widersprechen, mit einzubeziehen und nicht zu früh auszuschalten. Das ist, was jeder gute Kriminalpolizist macht: dem ersten Anschein nicht zu gehorchen, wer der möglich Verdächtige ist, sondern in alle Richtungen gleichmäßig und unvoreingenommen zu ermitteln.

Sprecher 1:

Arnim Stauth weiß, wovon er spricht. Er war als Kriegsberichterstatter für den WDR 2002 und 2003 mehrfach im Irak. Vorher berichtete er aus Moskau, Tschetschenien und Afghanistan. Er gehört zu den wenigen Reportern weltweit, die der Frage nachgegangen sind, in wie weit uranummantelte Geschosse, eine Gefahr für Soldaten und Zivilisten darstellen. Während die Gefährlichkeit von Landminen und Streubomben für die Zivilbevölkerung weltweit akzeptiert zu sein scheint, gehen beim Thema Uranmunition die Meinungen auseinander. Wie von Kriegsreporter Arnim Stauth gefordert, wollen wir jetzt in der Manier von Kriminalpolizisten in alle Richtungen „gleichmäßig und unvoreingenommen“ ermitteln.

Musik: Rahim Alhai & Sadaga Quartet

Sprecher 1:

In Kriminalgeschichten geht es meistens um die Tätersuche. In diesem Punkt fällt der vorliegende Fall aus dem Schema: Der Täter muss nicht mehr gefunden werden. Die verantwortlichen Streitkräfte, vor allem aus Großbritannien und den USA, leugnen ihre Täterschaft nicht: Sie haben die Uranmunition gezielt eingesetzt, um die Panzer der Gegenseite zu vernichten. Fünfzehn weitere Staaten statten ihre Heere mit Uranmunition aus – es sind, alphabetisch geordnet: China, Frankreich, Griechenland, Indien, Israel, Irak, Jordanien, Kuwait, Oman, Pakistan, Russland, Saudi Arabien, Taiwan, Thailand und die Türkei.

Sprecher 2:

Tatorte gibt es mehrere: im Kosovo, in Bosnien, in Serbien, in Afghanistan, in Kuwait, im Irak, im Libanon, in Somalia. Ausgebrannten Panzer und Gebäude, sowie herum liegende Geschosse sind Zeugnis und Beweis.

Sprecher 1:

Der Blick auf den Boden ist der Beginn jeder Spurensuche. Wir betrachten die Projektile: Die Spitzen sind mit Uran gehärtet. Warum mit Uran? Was ist Uran? Warum ist es abgereichert? Und wo kommt abgereichertes Uran her?

 

Sprecher 2:

Uran ist ein silbergraues Schwermetall mit der Ordnungsziffer 92 im Periodensystem. 1789 wurde es von dem deutschen Chemiker Martin Heinrich Klaproth aus dem Mineral Pechblende isoliert und nach dem Planeten Uranus benannt. Seine Radioaktivität wurde erst gut 100 Jahre später entdeckt: 1896 und zwar von Henri Becquerel.

Uran hat eine sehr hohe Dichte von fast 19 g/cm3, die Dichte von Wasser im Vergleich beträgt 1 g/cm3. Um es greifbarer zu formulieren: Eine Literflasche Wasser wiegt 1 kg, ist sie mit Uran gefüllt wiegt sie 19 kg. Wegen dieser extremen Dichte wird abgereichertes Uran zur Beschwerung in der Luft- und Schifffahrt und zur Panzerung verwendet – und als Mantel für Munition.

Der englische Begriff lautet „Depleted Uranium“, abgekürzt DU. In Politik- und Militär-Kreisen wird weltweit das Kürzel DU verwendet.

Depleted Uranium ist chemisch ausgedrückt: Uran-238; mit einer Halbwertzeit von 4,5 Milliarden Jahren nahezu stabil. Wirtschaftlich ausgedrückt ist es ein Rohstoff, in den Augen der Kritiker ist es Atommüll. Für die Brennstäbe im Kernreaktor wird nämlich das Isotop Uran-235 benötigt. Das Uranerz enthält wenig Uran 235, muss daher angereichert werden. Bei diesem Prozess der Anreicherung bleibt sogenanntes abgereichertes Uran-238 übrig. Dieses abgereicherte Uran, wohlgemerkt ein Abfallprodukt der Atomenergie, enthält etwa 60 Prozent der Radioaktivität des Urans in der Natur.

DU ist vorwiegend ein Alpha-Strahler; wird es aus abgebrannten Brennelementen von Atomkraftwerken gewonnen, kann es Spuren von Plutonium-239 enthalten. DU müsste als schwach radioaktives Material entsorgt werden und würde so erhebliche Lagerungs- und Kostenprobleme erzeugen. Wenn es aber als Rohstoff für die Luftfahrt und Waffenindustrie dient, muss es nicht entsorgt werden. Recycling ist hier die Entsorgung. Attraktiv für das Militär ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis: Mit geringem finanziellen Aufwand lässt sich damit teures Kriegsgerät vernichten.

Sprecher 1:

Da sich die DU-gehärteten Geschosse beim Durchdringen einer Panzerwand auf mehrere 1000 Grad Celsius erhitzen, geht ein getroffener Panzer sofort in Flammen auf; die Insassen verglühen. 70 Prozent des Uranmantels verdampft. Eine Wolke aus radioaktivem Feinstaub legt sich auf das getroffene Fahrzeug und seine Umgebung. Wind sorgt für die Verbreitung. Zwangsläufig werden die strahlenden Partikel eingeatmet. Niedriger als die natürliche Strahlung, sagen die Beschwichtiger. Eine Zeituhr bis der Krebs kommt, sagen die Warner. Die einen betonen die Gefahren, die vom Schwermetall ausgehen, die anderen die Radioaktivität. Wo liegt die Wahrheit? Hören wir, was man im militärischen Lager dazu sagt. Die European Organisation of Military Associations, kurz EuroMil, ein Dachverband der Heeresinteressen mit Sitz in Brüssel, kommt 2007 zu folgender Beurteilung:

Sprecher 3:

 

DU-Patronen entzünden sich beim Aufprall und setzen dabei radioaktive und toxische Nanopartikel frei; diese Partikel bestehen aus Uranoxid und können vom Wind hunderte von Meilen durch die Luft befördert werden. DU kann dabei Boden und Gewässer verseuchen, doch die größte Gefahr, und darin ist man sich einig, besteht, wenn diese Partikel inhaliert werden. Von der Lunge aus geraten sie in den Blutkreislauf und können sich in wichtigen Organen festsetzen. Haben sich die DU-Partikel einmal im Körper eingelagert, können sie die inneren Organe gefährden, einmal durch die chemische Toxizität, wie sie Schwermetallen eigen ist, und zusätzlich durch die radioaktive Niedrigstrahlung, wenn diese über einen längeren Zeitraum erfolgt. Die toxischen und radioaktiven Eigenschaften können bei einer Kontamination auch das Immunsystem schwächen. Ebenso können akute Probleme der Atmungswege eintreten, Lungenentzündung, Symptome von Grippe, starke Hustenanfälle, Funktionsstörungen der Nieren und des Magen-Darm-Traktes. Der volle Umfang der Auswirkungen bei Einsatz von Uranwaffen ist noch nicht bekannt.

 

Sprecher 1:

War der Öffentlichkeit bekannt, dass diese Munition verwendet wird? Auch diese Frage würde ein Kommissar stellen. Hatten die Munitionsfabrikanten in den USA, in Frankreich, Russland und Pakistan ihre Waren in Werbeanzeigen angepriesen? Nein. Gab es eine diesbezügliche Ankündigung vor Kriegsbeginn in den Medien? Nein. Die USA leugneten sogar beim ersten Golfkrieg den Einsatz von Uranmunition. Woher kam dann die erste Information?

Sprecher 2:

Die Nachricht überbrachte in Deutschland ein Mediziner: der 1925 in Halle an der Saale geborene Epidemiologe und Tropenarzt Prof. Dr. Siegwart-Horst Günther. Er hatte bereits mit Albert Schweizer in der Urwald-Klinik Lambarene gearbeitet.

 

O-Ton 5: Prof. Günther

 

der Albert Schweizer hat mir auch mein Leben geprägt durch seine Einstellung gegen die Atomwaffenversuche

 

Sprecher 2:

Danach hatte er 40 Jahre im Nahen Osten gearbeitet. Nach dem ersten Golf-Krieg war Prof. Günther 1992 im Irak gewesen und hatte im Krankenhaus von Basra Kinder gesehen, deren Krankheitsbildern er in dieser Region noch nie begegnet war; sie erinnerten ihn aber stark an Geschädigte aus Atomwaffentestgebieten und der verstrahlten Region um Tschernobyl. Sechs Faktoren bestimmten seine Diagnose:

 

O-Ton 6: Prof. Günther

 

  1. Zusammenbruch des Immunsystems
  2. Ansteigende Infektionskrankheiten, insbesondere Virusinfektionen
  3. Krebsbildungen und Leukämie
  4. Funktionsstörungen bei Nieren und Leber
  5. Erkrankungen genetischer Art mit Missbildungen bei Neugeborenen
  6. Und dann Frühgeburten und Fehlgeburten, ähnlich wie nach dem Unfall in Tschernobyl.

Sprecher 2:

 

Prof. Siegwart-Horst Günther brachte dies mit den Projektilen in Verbindung, die auf den Schlachtfeldern verstreut lagen, und mit denen die Kinder spielten.

 

O-Ton 7: Prof Günther

 

Als ich dann außerhalb von Basra Kinder mit derartigen Geschossen spielen sah, die als Puppen angemalt waren , und eines dieser Kinder an Leukämie gestorben war, wurde ich sehr misstrauisch.

Sprecher 2:

Er nahm sich ein Projektil mit, um es in Deutschland untersuchen zu lassen. Er ahnte nicht, welche Hindernissen sich ihm dabei in den Weg stellen sollten.

 

O-Ton 8: Prof. Günther

 

Und dann hab ich‘s untersuchen lassen, und zwar an drei Universitäten, zunächst an der Humboldt-Universität, die sagten, das ist hoch toxisch und radioaktiv, wir wollen damit nichts zu tun haben, gehen Sie zur Technischen Universität. Die TU verhielt sich genau so, die sagten: wir wollen mit dem Zeug nichts zu tun haben, gehen Sie zur Freien Universität , zum Radiologischen Institut , und als ich dann dort ankam, sagten sie, ja heute ist Freitag, wir wollen das Zeug nicht, kommen sie am Montag wieder. Ich musste dann wieder durch quer Berlin fahren bis nach Hause und dann am Montag wieder quer durch Berlin mit dem Geschoss, und da waren dann auch schon 16 Polizisten, die mich praktisch verhaften wollten, weil sie schon informiert waren über die Radioaktivität des Geschosses, dann kam ein Spezialkommando der Polizei mit Schutzkleidung mit besonderen Behältern, sagten, ja das ist hoch toxisch und radioaktiv, wir müssen das beschlagnahmen.

Sprecher 1:

Diese Geschichte ließ die Kölner Dokumentarfilmer Frieder Wagner und Valentin Thun zur Kamera greifen. Sie folgen Dr. Günter auf den Spuren seiner Odyssee durch deutsche Institutslabore und begleiten ihn dann bei einer neuen Reise 2003 in den Irak. Auf dem Sendeplatz „story“ von WDR 3 läuft der Film „Der Arzt und die verstrahlten Kinder von Basra“ im April 2004. Der Film ist ein erschütterndes Dokument aus einer Region, in der Kinder keine Zukunft mehr haben, selbst wenn sie nicht als Monster geboren werden. Frieder Wagner erzählt:

 

O-Ton 9: Frieder Wagner

 

Ich bin nicht gewohnt, dass meine Filme nach der Sendung verschwinden. Ich habe viele nationale und internationale Preise bekommen, und als dann dieser Film nach der Sendung quasi im Archiv verschwunden ist, hat mich wegen der Brisanz des Themas die Wut gepackt, und ich habe mit meiner Frau zusammen (…) eigene Mittel aufgewendet und den Film „Deadly Dust – Todesstaub“ produziert. Leider hat dieser Film bis heute keinen Verleih gefunden, obwohl wenn ich den Film in größeren Städten in unabhängigen Programmkinos zeige oder kommunalen Kinos, sind diese Kinos meistens…ausverkauft,. Das Interesse ist also da. Ein riesiges Interesse – nur wird diese Thematik aus verschiedenen Gründen — von der Politik aber inzwischen auch von den Medien total verschwiegen. Es ist ein Tabuthema geworden.

Wie hat sich das ausgewirkt auf mich? (…)Seit ich diesen Film, den Kinofilm produziert habe, sind alle meine Vorschläge in der ARD für irgendwelche anderen Dokumentationen, aber auch beim ZDF, abgelehnt worden. Kann ich das beweisen? Nein. Ist es so passiert? Ja! Andererseits hat mir ein Freund vom Deutschlandfunk , ein ehemaliger Chefredakteur, der diese Situation kannte, versucht zu helfen und wollte mir über Depleted Uranium und die Folgen ein Feature zuschanzen, das ist nach einigen Anlaufschwierigkeiten auch geglückt, aber eineinhalb Tage vor der Sendung bekam ich die Nachricht, das Feature kann nicht gesendet werden, weil ich schlecht recherchiert hätte und die Redaktion hat auch in 15 oder 16 Punkten die Schwierigkeit, die sie mit dem Feature hat, aufgeschrieben und erst, wenn ich die beantworte, bzw. die Fragen geklärt hätte, würde das Feature gesendet werden. Da das alles per E-Mail gegangen ist, kann ich beweisen, wie dieses Thema am Beispiel des Deutschlandfunks systematisch unterdrückt wurde. Am Ende war es so, dass wir alle Fragen oder Probleme, die diese Redaktion mit dem Thema hatte, abschmettern konnten, aber das Feature wurde trotzdem nicht gesendet.

Sprecher 1:

 

Warum machen radioaktiv und toxisch verseuchte Schlachtfelder keine Schlagzeilen? Warum werden die Fotos von missgebildeten Kindern, die kaum mehr an menschliche Wesen erinnern, nicht veröffentlicht? Warum findet keine öffentliche Diskussion statt? Diese Fragen führen uns nach Erlangen. Dort gibt es seit wenigen Jahren ein Institut für Medienverantwortung; gegründet und geleitet von der Sprachwissenschaftlerin Sabine Schiffer.

 

O-Ton 10: Sabine Schiffer

 

Das Thema Uranwaffen ist mir zum ersten Mal in den neunziger Jahren begegnet, als die ersten Bilder aus dem Irak auftauchten. Und ich hab damals auch noch gezögert, ist das jetzt Propaganda von irakischer Seite wie oder was, (…) dann habe ich aber angefangen Indizien zu sammeln und weiter Indizien dafür zu finden, (…) wo sich eigentlich die Militärs verraten haben, an der Stelle, dass man Ende der neunziger Jahre, bis zum Ende der neunziger Jahre gesagt hat, wir setzen diese Waffenart nicht ein, und dann hat man gesagt: stimmt, wir setzen sie ein, aber sie ist nicht schädlich. Und ich finde, da müssen die Alarmlampen angehen, da muss jeder Journalist anfangen zu recherchieren, wie kann das sein? So ein Wechsel in der Strategie? (…)Ich gebe zu, ich habe vorher zehn Jahre lang gelogen und jetzt gebe ich zu, es war anders, aber dann behaupte ich, es ist trotzdem unschädlich. Also da muss man skeptisch sein!

Sprecher 1:

Skeptisch waren der WDR-Kriegsreporter Arnim Stauth und die ARD-Korrespondentin Birgit Kaspar. Beide waren im Irak unterwegs und hatten immer einen Geigerzähler dabei – sehr zum Befremden mancher Kollegen.

O-Ton 11: Birgit Kaspar

Wenn man mit Ärzten sprach, erzählten die, ja, wir haben hier viele Probleme im Gesundheitssystem, die auf die UN-Sanktionen zurück gehen, aber wir haben auch sehr viele Probleme, die auf die Uran-Munition zurück gehen und da bin ich darauf aufmerksam geworden und habe mich mit einem Kollegen, Scott Peterson, vom Christian Science Monitor, einem amerikanischen Journalisten, der Sache mal sehr intensiv angenommen, wir sind dann in den Süd-Irak gegangen, das war vor dem Krieg im Jahr 2003, wir sind in den Süd-Irak in die Schlachtfelder des ersten Golf-Krieges von 1991 gegangen, südlich von der irakischen Stadt Basra, damals ist dort zum ersten Mal Uran-Munition eingesetzt worden, rund 320 Tonnen, das haben die Amerikaner hinterher zugegeben, hätten sie dort eingesetzt, das ist dort auch mehr oder weniger ausprobiert worden, dort haben wir auch im Jahre 2003, im Januar war das, noch in der Wüste ausgebrannte Panzerfahrzeuge, irakische gefunden, die immer noch gestrahlt haben, wir waren damals mit einem Geigerzähler unterwegs und konnten da eben immer noch Strahlung messen. (…)

Es hat ein paar wenige Kollegen gegeben, die es auch gemacht haben, aber wir waren sicherlich eine Minderheit, und manche haben uns auch angeguckt, unter dem Motto, also was macht ihr denn da? Und ich weiß von anderen amerikanischen Kollegen, zum Beispiel der Washington Post und der New York Times, die Kollegen damals in Bagdad im Jahre 2003 kannte ich sehr gut, ich hab ihnen angeboten, ich kann euch dieses Teil mal leihen, wenn ihr diese Geschichte mal selbst recherchieren wollt, da war dann bei den Redaktionen kein Interesse.

O-Ton 12: Arnim Stauth

 

Es hatte kein anderer einen Geigerzähler dabei, das habe ich sehr schnell gemerkt, ich habe auch auf verschiedenen Kanälen immer wieder Bilder gesehen von irakischen Panzern, wo man, wenn man ein bisschen darüber wusste, sofort gesehen hat, dieser Panzer ist mit dieser Munition abgeschossen worden , der Panzer ist nicht vollkommen zerstört, sondern man sieht überall so ein kreisrundes, relativ kleines Einschussloch , wo diese Uranpfeile sich da durchgebrannt haben. Und auf diesen Panzern saßen Kollegen, die für die Fernsehkamera irgendetwas erzählt haben … wo ich ganz klar gemerkt habe, die wissen im Moment nicht die Gefährdung, der sie sich aussetzen, und haben sich mit dem Thema auch nicht beschäftigt.

Sprecher 1:

Zurück nach Deutschland. Dort gab während des Kosovo-Kriegs der Verteidigungsminister, er hieß damals Rudolf Scharping, lauthals Entwarnung:

O-Ton 13:

Nach aller wissenschaftlichen Erkenntnis und nach aller medizinischen Erfahrung ist insbesondere bei eingesetzten Soldaten das Strahlenrisiko vernachlässigbar.

Sprecher 1:

In der Presse findet sich in jenen Kriegstagen noch ein anderes Zitat des Ministers:

Sprecher 3:

Dazu wird Uran als Metall, nicht als strahlendes Material verwendet. Deshalb haben auch alle Untersuchungen ergeben, dass die Strahlung aus diesem Uran unterhalb der natürlichen Umwelteinflüsse liegt.

Sprecher 1:

Uran, das nicht strahlen soll, strahlt auch nicht. Der Minister als Magier. Und dann stellte Rudolf Scharping einen Arbeitsstab zusammen, der die Ungefährlichkeit der Uranmunition bestätigen sollte. Er holte sich Theo Sommer, den ehemaligen Chefredakteur und Herausgeber der ZEIT, den FAZ-Redakteur Nikolas Busse, einen Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und eine ganze Reihe hoher Militärs. Der „Arbeitsstab Dr. Sommer“ kam zum gewünschten Ergebnis und im Sommer 2001 titelte die ZEIT: „Die Blamage der Alarmisten“. Aber die Leiterin des Erlanger Instituts für Medienverantwortung, Sabine Schiffer, hat Scharpings Magierstück aufgedeckt.

O-Ton 14: Sabine Schiffer

Das Thema hatte alle Kriterien des Nachrichtenwertes gehabt, alles was da so gängig ist, sprich: Es hätte eigentlich weiter durchdiskutiert werden müssen, genau das ist nicht passiert, das ist der Punkt gewesen, da werde ich besonders skeptisch: wenn ein Thema abreißt in der Medienlandschaft. Ein Thema ist groß da, und dann ist drei Wochen später fast nichts mehr da. Da ist was passiert, da hat sich ein Leitmedium in Deutschland, DIE ZEIT, leider sehr unrühmlich hervor getan, das Thema nieder zu bügeln, wobei DIE ZEIT nicht der Initiator war, …es gab natürlich andere Kräfte da dahinter, aber interessant in dem Zusammenhang ist das Zusammenspiel von dem, ich nenn ihn mal Kommentator, weil anders kann man das nicht werten, was er geschrieben hat, Gero von Randow, und dem ehemaligen Herausgeber, Dr. Sommer, der von Herrn Scharping bestimmt wurde, als Leiter des Untersuchungsstabes, wie gefährlich denn nun Uranwaffen seien, und dieser Untersuchungsstab kam, da war noch ein Journalist vertreten, ansonsten waren es hauptsächlich Militärs, geprüft wurden Dokumente und keine wissenschaftlichen Untersuchungen, und man kam schließlich zu dem Schluss, dass die Radartechnik viel gefährlicher gewesen sei als die Uranmunition und das Bombardieren von Chemiewerken und so weiter und sofort, interessanterweise hatte der Herr von Randow das aber schon vorher veröffentlicht in DER ZEIT.

Er hatte es also schon vorher gewusst und danach die Bestätigung bekommen, als der Bericht dann ein halbes Jahr später dann tatsächlich erschien, wie diese weise Voraussicht zustande kam, das sei mal dahin gestellt, auf jeden Fall hat er die Kollegen verunsichert

Sprecher 1:

Während sich in den folgenden Jahren die großen Medien in Deutschland weitgehend an die vom „Arbeitsstab Dr. Sommer“ vorgegebene Direktive halten, scheinen nicht nur die Kritiker aus den Reihen der Friedens- und Anti-Atom-Bewegung Verdacht zu schöpfen. Auch in den Reihen der Bundeswehr ist man besorgt. Das deutsche Militär verwendet keine Uran-Munition, sondern mit Wolframcarbid gehärtete Projektile und Granaten; Wolfram – im Englischen: Tungsten – ist teurer und nicht radioaktiv, aber ebenso toxisch.

Im Juli 2003 gibt das Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr daher eine umfangreiche Broschüre für die Soldaten heraus; auf dem Deckblatt steht der Vermerk: Nur für den Dienstgebrauch.

 

Sprecher 2:

Aus dem „Leitfaden für Bundeswehrkontingente in Afghanistan“

 

Sprecher 3:

Bei der Operation „Enduring Freedom“ zur Unterstützung der Nordallianz gegen das Taliban-Regime wurde durch US-Kampfflugzeuge u. a. auch panzerbrechende Brandmunition mit DU-Kern eingesetzt.

Beim Einsatz dieser Munition gegen Hartziele entzündet sich das Uran auf Grund seiner pyrophoren Wirkung. Bei der Verbrennung entstehen besonders an und in den Zielen sesshafte toxische Stäube, die jederzeit aufgewirbelt werden können.

DU-Munition kann deshalb bei ungeschütztem Personal toxische und radiologische Schädigung hervorrufen:

Es besteht: Gefahr einer Schwermetallvergiftung.

Und: Gefahr durch sehr schwachen radioaktiven Strahler.

Sprecher 2:

Als Schutzmaßnahmen werden genannt:

 

Sprecher 3:

  • Keine unnötige Berührung von Munition, Munitionsteilen und sonstigem potentiell kontaminiertem Material
  • Überprüfen auf mögliche Verstrahlung durch ABC-Abwehrtruppe
  • Ausgabe von Filmdosimetern
  • Anlegen der ABC-Schutzmaske
  • Abdichten der Bekleidung bzw. Anlegen der persönlichen ABC-Schutzbekleidung
  • Dokumentation des jeweiligen Einsatzes bzw. Kontaktes zu DU-kontaminiertem Gerät unverzügliche Meldung mit Vorlage der Dosimeter.

 

Musik: Rahim Alhai / Krieggeräusche Irak

 

 

Sprecher 1:

Im November 2006 bekräftigt das Europäische Parlament seine früheren Forderungen nach einem Moratorium für Uranwaffen und einigt sich auf eine sogenannte Entschließung zu „biologischen Waffen und unmenschlichen konventionellen Waffen”. Dies bleibt nicht ohne Wirkung:

 

Sprecher 2:

 

Im März 2007 verabschiedet Belgien ein Gesetz, das die Herstellung, den Einsatz, die Lagerung, den Verkauf, die Anschaffung, die Lieferung und den Transit von Uranwaffen und Uranmunition verbietet. Das Gesetz tritt 2009 in Kraft.

Im Mai 2007 zeigt das Europäische Parlament in einer Ausstellung Fotos und Berichte von Menschen, die im Irak Opfer von Uranwaffen wurden.

Im Oktober 2007 gibt das italienische Verteidigungsministerium bekannt, dass zwischen 1996 und 2006 bei Einsätzen im Irak und auf dem Balkan höchstwahrscheinlich 37 italienische Soldaten infolge der Strahlenbelastung und der Giftigkeit von Uranwaffen ums Leben gekommen sind. Auch in Großbritanien und den Vereinigten Staaten werden als Reaktion auf die zunehmende Sorge über die gesundheitlichen Folgen von abgereichertem Uran Testverfahren für heimkehrende Soldaten eingeführt.

Am 5. Dezember 2007 verabschiedet das UN-Abrüstungskomitee in New York die Resolution „Effects of the use of armaments and ammunitions containing depleted uranium“ -Auswirkungen beim Einsatz von Kriegsgerät und Munition, die Depleted Uranium enthalten.“ 136 Staaten stimmen dafür, fünf stimmen dagegen: es sind die USA, England, die Niederlande, Israel und die Republik Tschechien; es gibt 36 Enthaltungen.

Der Resolutionsentwurf stammt von der Gruppe der blockfreien Staaten und wurde von Indonesien eingereicht. Alle UN-Mitgliedsstaaten und internationale Institutionen werden aufgefordert, die Gesundheitsrisiken erneut zu überprüfen und ihre Berichte dem UN-Generalsekretär vorlegen.

 

Musik: Rahim Alhaj

 

Sprecher 1:

Eine Zeit des Überprüfens. An dieser Stelle wollen wir einen Blick werfen auf jene, die aus moralischen Gründen das loyale Schweigen gegenüber ihren Arbeitgebern gebrochen haben. Menschen mit derartiger Zivilcourage werden Whistleblower genannt. Whistle ist im Englischen die Alarmpfeife.

Sprecher 2:

Ein Whistleblower ist der Militärarzt Asaf Durakovic. Er untersuchte 1991 im Auftrag des Pentagon heimkehrende Soldaten auf Uranspuren in ihren Körpern. Als er trotz kollegialer Warnungen mit seinen Befunden an die Öffentlichkeit ging, wurde er vom Pentagon entlassen. Daraufhin eröffnete er in Kanada ein unabhängiges Institut, das Uranium Medical Research Center.

Ein anderer Whistleblower ist der amerikanische Physiker und Experte für chemische und biologische Kampfstoffe Doug Rokke. Er war beteiligt an der Entwicklung von Uranmunition und stieg nach dem ersten Golfkrieg aus. Heute reist er um die Welt, um sein Gewissen zu erleichtern. Er weiß, wovon er spricht, wenn er sagt: „Uranmunition ist ein Verbrechen gegen die Menschheit“ und: „Wir führen einen Krieg gegen uns selbst“.

Als Whistleblower sieht sich der Chemiker Keith Baverstock nicht. Er wehrte sich, aber andere trugen es nach außen. Baverstock war zuständig, als die Weltgesundheitsorganisation WHO nach dem Kosovo-Krieg ihren ersten Report über die Gefahren von Uranwaffen und Uranmunition veröffentlichte. Wir treffen ihn in Bonn:

O-Ton 16: Keith Baverstock

When the hostilities ceased in Kosovo I was asked about what potential dangers there would be to UN Personal sent to Kosovo to take part in the reconstruction of the country. I looked into the issue then for the first time of the potential hazards from Depleted Uranium. A couple of years after that the WHO decided to write a monograph on the health effects of uranium including depleted uranium. And we don’t’ expect it to be any differently, the health effect will be broadly the same. Natural uranium is somewhat more radioactive then depleted uranium but that’s about the only difference.

Sprecher 3:

Als die Kämpfe im Kosovo aufhörten, sollte ich die das Gefahrenpotential untersuchen, das unter Umständen für UN-Truppen bestand, die für den Wideraufbau des Landes eingesetzt worden waren. Das war das erste Mal, dass ich die Gefahren von DU untersuchte. Ein paar Jahre später beschloss die WHO, über die gesundheitlichen Auswirkungen von Uran und eben auch abgereichertes Uran eine Monographie zu veröffentlichen.

O-Ton 17: Keith Baverstock

So I looked again more closely at the situation beyond the Balkans and particularly I looked into what the situation might be in places like Iraq where it had been used extensively 1991 in the southern part around Basra and by that time –that’s around 2001 – there were 4 papers in the scientific literature, peer review papers, which were indicating that DU had a geno-toxic potential, and that means it’s very likely to be carcinogenic.

On the strength of that evidence I prepared a paper, a section if you like, for this monograph. There was an unwillingness of the management to include this, and so the monograph really did nothing in terms of extending our knowledge about the health effects – it referred to the weak radioactivity of DU and the potential chemical toxicity to the kidney. What I’ve found in the literature indicated a different kind of toxicity. So I wrote that paper , I expanded that section for the monograph into a paper with two colleagues of mine, putting it into the context of what we knew about toxic effects on cells and presented that, wanted to present that to a journal but had to get permission from WHO, since I was a staff member and that permission was never granted and the paper didn’t get published. Since that time , and up to 2006, which was the last time I looked into the subject in detail, a further twelve papers had been published, claiming geno-toxic effects from depleted uranium.

Sprecher 3:

Dies brachte mich dazu, die Situation näher unter die Lupe zu nehmen und über den Balkan hinaus zu betrachten. Ich habe mir den Irak betrachtet, wo es ja während des Krieges 1991 im Süden um die Stadt Basra DU-Munition in großem Umfang eingesetzt worden war. Inzwischen gab es 2001 vier Aufsätze in wissenschaftlichen Fachpublikationen, sogenannte Peer Review Papers, in denen auf die genotoxischen Gefahren von abgereichertem Uran hingewiesen wurde und auf die Möglichkeit krebserregend zu sein. Basierend auf diesen Erkenntnissen schrieb ich einen Text für die Monographie. Die Redaktion war aber nicht bereit, diese Ergänzung aufzunehmen. Damit leistete die Monographie keinen Beitrag zur Erweiterung des tatsächlichen Wissenstand – sie beschränkte sich allein auf die schwache Radioaktivität und die chemische Toxizität, die die Nieren bedrohte. Was ich in der neuesten Literatur gefunden hatte, wies auf eine andere Art von Giftigkeit hin.

Ich nahm als meinen Zusatz, der in der Monographie nicht veröffentlicht worden war, und schrieb mit zwei Kollegen einen eigenen Aufsatz, in dem ich das Thema DU in den Kontext der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die toxische Wirkung auf Zellen stellte. Bevor ich es einer Fachzeitschrift anbieten konnte, mußte ich die Erlaubnis der WHO einholen. Als Angestellter der WHO kann ich nichts ohne Erlaubnis veröffentlichen. Diese Erlaubnis wurde nie gegeben. Der Aufsatz konnte nicht publiziert werden. In den folgenden Jahren bis 2006 sind weitere 12 Fachaufsätze zum Thema erschienen, alle bestätigten die genotoxische Wirkung von Depleted Uranium, das bedeutet eine Schädigung des Erbguts.

O-Ton 19:

The management, a year ago. they described the evidence I produced as fairy tales. Well, I would have to say to them now that there were then 4 fairy tales and there are now a further 12 peer reviewed fairy tales in the literature.

Sprecher 3:

Vor einem Jahr bezeichnete die Redaktion meine wissenschaftliche Arbeit als Fairy Tale, als Märchen also. In diesem Fall muß ich sagen, dass ich nicht allein bin, und dass es damals bereits vier Märchen gab und inzwischen weiter 12 von Fachkollegen überprüfte Märchen dazugekommen sind.

Sprecher 2:

Die Toxizität von Schwermetallen verschiedener Oxidationsstufen und die Radioaktivität des Isotops Uran gehören seit über fünfzehn Jahre zum Arbeitsschwerpunkt des Mediziners und Strahlenbiologen Edmund Lengfelder an der LMU München. Der Reaktorunfall von Tschernobyl im April 1986 hat sein Leben verändert. Mit Mitstreitern wie dem ostdeutschen Physiker Sebastian Pflugbeil gründete er 1990 die Gesellschaft für Strahlenschutz. 1993 baute er mit Spenden innerhalb der Poliklinik in Gomel ein Schilddrüsenzentrum auf, schaffte modernste medizinische Geräte an und ließ weißrussische Ärzte in Deutschland weiterbilden. Bis heute wurden weit über 100.000 Menschen behandelt.

O-Ton 20: Lengfelder

Es gibt für das Uran in unserem Organismus keine sinnvolle Funktion, für Uran-Nanopartikel schon gleich überhaupt nicht. Und nachdem die Natur in der Evolution bisher mit Nano-Partikeln überhaupt nicht in Berührung kam, insbesondere nicht mit Nano-Partikeln von Uran, hat sie auch keine Mechanismen entwickelt, um sich dagegen zu schützen. Und wenn nun Nano-Partikel auf den Menschen einwirken, eingeatmet werden, auch sogar an die Haut kommen, dann gibt es für sie keine Barrieren. Insbesondere beim Einatmen von Nano-Partikeln können diese über (…) die Riechschleimhaut unmittelbar ins Gehirn vordringen und treiben dort ihr Unwesen: Sie erzeugen Radikale, die Gehirnzellen schädigen. In der Lunge (…) werden sie von den Freßzellen , von den Granulozyten, nicht erkannt, weil sie so winzig sind. (…)

Sprecher 2:

Als Arzt gehört Edmund Lengfelder auch zu jenen Naturwissenschaftlern, die die Grenzwerte von Niedrigstrahlung von Grund auf in Frage stellen.

O-Ton 21: Lengfelder

Grenzwerte sind die nicht die Grenze zwischen unschädlich und schädlich. Grenzwerte lassen mit politischer Billigung bereits eine gewisse Schadenshöhe in der Bevölkerung zu. Die Festlegung der Strahlengrenzwerte auf 0,3 Millisievert über Abwasser und 0,3 Millisievert über die Abluft von Nuklearanlagen, diese Grenzwerte wurden das erste Mal festgelegt durch die internationale Strahlenschutzkommission. Und diese hat 1958 im Klartext gesagt: Dass man weiß, dass diese Grenzwerte eine beträchtliche genetische Belastung der Allgemeinheit bedeuten. Und wörtlich sagt die Internationale Strahlenschutzkommission im Jahr 1958: Diese Schäden und diese Belastung kann als tragbar und gerechtfertigt angesehen werden im Hinblick auf die Vorteile, die erwartungsgemäß durch die Anwendung der Atomenergie erwachsen. Und in einer späteren Verlautbarung heißt es noch: Die Strahlendosis auf die Keimzellen, von 5 rem, das ist die Grenze pro Jahr gewesen, die heute in der Form weiter geführt wird, gewährt einen vernünftigen Spielraum für die Expansion der Atomenergieprogramme. So steht es da drin. Das heißt: Es ist damit erwiesen, dass die Atomenergie die Industrie war, die man schützen wollte. Und der Vorläuferorganisation der deutschen Strahlenschutzkommission, nämlich die deutsche Atomkommission hat im Jahr 1969 bei ihrer Festsetzung dieser 0,3 Millisievert gesagt, dass diese Strahlenbelastung bei „noch zumutbarem Aufwand unvermeidlich“ ist.

(…) den Satz muss sich mal auf der Zunge zergehen lassen. (…) Das bedeutet: der zumutbare Aufwand für die Nuklearindustrie soll nicht so hoch sein, und damit er nicht so hoch ist, muss die Bevölkerung einen gewissen Schaden ertragen.

Musik: Rahim Alhaj

 

Sprecher 1:

Wie wird sich diese internationale Diskussion über Uranmunition auf das militärische Lager auswirken? Anruf in Brüssel, im Hauptquartier der NATO. Warum ich jetzt an dem Thema interessiert sei?, will man in der Pressestelle wissen, DU sei doch kein Thema mehr, längst sei alles gesagt und es gäbe nichts Neues. Die DU-Thematik sei, so wörtlich, zur Weihnachtszeit 2001 hoch gekocht“ worden, aber bis heute gäbe es weltweit „keine Beweise für den Zusammenhang von DU-Munition und Krebserkrankungen“. Das Krankheitsbild sei außerdem sehr verschwommen und lasse keine eindeutigen Rückschlüsse zu. Da könne genauso gut ein infiziertes Taschentuch oder zu viel Schokolade die Ursache der beschriebenen Symptome sein.

Uranmunition, Taschentuch, Schokolade. Verbirgt sich hier eine Spur? Nein, lautet die Antwort, das seien nur Beispiele, um zu zeigen, wie unbewiesen der Zusammenhang zwischen DU und Krebs sei. Ich bitte um einen kompetenten Gesprächspartner. Den zu finden sei schwer, heißt es, außerdem stünde alles, was die NATO zu sagen habe, im Internet: www.nato.org . Ich solle unter dem Titel „A-Z“ auf „D“ und dann weiter zu Depleted Uranium. Zwar seien alle Stellungnahmen von damals, also aus dem Jahr 2001, aber daran habe sich für die NATO prinzipiell nichts geändert, weil eben, wie gesagt, keine Beweise vorlägen.

 

Sprecher 2:

Aus der Zusammenfassung des Vorsitzenden des Ad-Hoc-Kommittees der NATO zu Depleted Uranium:

Sprecher 3:

  • Bis heute hat keine Nation von einem Fall berichtet, der bei Personen, die im Balkan stationiert waren, auf eine Verbindung zwischen Gesundheitsbeschwerden und DU schließen lässt.
  • Die zwischen Staaten und internationalen Organisationen geführte Diskussion und die zwischen ihnen ausgetauschte Information haben, gestützt von wissenschaftlichen Daten in Fachpublikationen, bis heute den ersten Bericht des NATO-Vorsitzenden der militärisch-medizinischen Versorgung bestätigt, dem zufolge es keine Verbindung zwischen DU und gemeldeten Krebsfällen gibt.

Sprecher 2:

Die Zusammenfassung schließt mit dem Ratschlag:

Sprecher 3:

Wie bei allen Munitionstypen und Minen gilt auch bei DU das einfache Prinzip von “Nicht Berühren”.

O-Ton 22: Kriegsgeräusche aus dem Irak

Sprecher 1:

E-Mails und Telefonate mit dem NATO-Hauptquartier in regelmäßigen Abständen bleiben erfolglos. Ich rühre hier eine alte Sache auf, heißt es. Noch habe man keinen Experten gefunden, es gäbe eigentlich in ihren Reihen keine Experten, man sei daher, genau genommen, weiterhin auf der Suche nach einer kompetenten Person. Und die habe man noch nicht gefunden.

 

O-Ton 23: Kriegsgeräusche


Musik: Rahim Alhaj

 

Sprecher 1:

Wie ein Kriminalpolizist solle ein Journalist arbeiten, fordert Kriegsreporter Arnim Stauth. Wir untersuchen erneut die Spuren auf dem Boden. Der Krieg ist aus, doch das Schlachtfeld bleibt Gefahrenzone. Uranmunition erodiert. Was passiert dann? Wo würden sich die Kommissare der Literatur und des wirklichen Lebens Rat holen? Im Labor!

Wir fahren nach Neuherberg nördlich von München. Neben dem Helmholtz-Institut sitzt die GSF, die Gesellschaft für Strahlenforschung. Dort hat man über mehrere Jahre Geschosse in verschiedenen Bodenproben vergraben und in Abständen das Sickerwasser untersucht. Mit dieser Studie hat die GSF Pionierabeit geleistet.

Prof. Herwig Paretzke, der Leiter der GSF, wird sofort zum Universitätsdozenten, wenn fachfremder Besuch sich auf dem Sofa in seinem Büro niederlässt. Formeln und Geschichten wechseln sich ab. Wie überall auf der Welt, wenn normale Menschen das Terrain der Naturwissenschaften betreten, werden zur Demonstration Maschinen angeworfen und die Naturgesetze beschworen. Auch die Luft ist anders, hier in der Chefetage der GSF. Radioaktive Isotope zerfallen vor unseren Augen, Radongas schwebt zwischen uns vorbei, das Universum zeigt sich von seiner chemischen Seite.

Mitarbeiter bringen Geschosse aus dem Kosovo unter Glas – und den Geigerzähler. Abgereichertes Uran sendet vor allem Alpha-Strahlen aus, und die kann ein Blatt Papier bremsen. Ein Stoß Akten von Prof. Paretzkes Schreibtisch lässt die Nadel und das Piepsen des Geigerzählers sofort zurück gehen. (dazu O-Ton Geigerzähler )So harmlos kann radioaktive Strahlung sein.

Siegesmund von Ilsemann, der langjährige Militär-Experte des SPIEGEL, muss in diesem Zusammenhang zitiert werden. Während der NATO-Sicherheitskonferenz 2008 in München nahm er an einer Podiumsdiskussion zum Thema Uranwaffen teil.

Was hilft mir die kurze Reichweite der Alpha-Strahlen, sagte der SPIEGEL-Reporter, wenn es mir nicht gelingt, das schützende Blatt Papier in meine Lunge zu bekommen.

Das Institut in Neuherberg kann nur Aussagen zum Kosovo machen, denn mit den Geschossen von dort haben sie ihre Bodenexperimente durchgeführt. Die Ergebnisse ihrer Experimente hat die GSF zur Feinbestimmung weitergereicht an das Institut für Radiochemie am Forschungszentrum Dresden-Rossendorf.

Projektleiter Gerhard Geipel ist einer von wenigen Experten weltweit, der fluoreszierende Uranspuren selbst bei kleinsten Mengen mit gepulstem Laserlicht nachweisen und bestimmen kann. Geipels Team fand an der Oberfläche der Patronen eine Patina aus Sabugalit. Dies ist ein neues Mineral und besteht aus Aluminium-Uranylphosphat. Es ist schwer wasserlöslich und das toxische Uran ist in ihm fest gebunden. Gleichzeitig aber entstand eine neue carbonathaltige Uranverbindung, die wasserlöslich ist. Dazu Gerhard Geipel:

O-Ton 24: Geipel

Die Gefahr, die von diesem Uran für die Bevölkerung dort ausgeht, sehe ich als erstes in der Trinkwasserversorgung, da ja das Uran über einen längeren Zeitraum in Lösung geht, und man aus diesem Grunde das Trinkwasser auf Uran untersuchen sollte in regelmäßigen Abstanden (…) Man sollte im Auge behalten, Uran ist kein essentielles Element für das Leben und wenn das in den Lebenskreislauf eintritt, ist natürlich mit Gefahren zu rechnen. Mit Sicherheit gibt es ein Defizit in der Aufklärung über die unterschiedlichen Wirkungen des Urans.

 

 

Sprecher 1: über Musik

 

Wer ist schuld in diesem Gewirr, in dem jeder von der großen Verantwortung ein bisschen trägt? In dem wir Zeiträume betreten, die jenseits unseres Vorstellungsvermögens liegen. Wir erinnern uns: Die Halbwertzeit von abgereichertem Uran 238 beträgt 4,5 Milliarden Jahre. Manchmal, wenn die Wahrheit unbequem wird, ist es der Geschichtenerzähler, der auf die Bühne tritt. Wie würden die berühmten Kommissare Maigret oder Brunetti wohl den Fall „Depleted Uranium“ lösen? George Simenon hätte den Roman vielleicht so enden lassen:

 

Sprecher 3:

Als Maigret vom Kommissariat am Quai des Orfèvres nach Hause kam, empfing ihn der Geruch von Boef Bourguignon. Es war eines seiner Lieblingsgerichte. Wenn Frau Maigret unter der Woche ein so gediegenes Essen auf den Tisch stellte, dann wollte sie ihm etwas Gutes tun und ihm zeigen, dass sie wohl mitbekam, wie sehr ihn dieser Fall beschäftigte, obwohl er seit Beginn seiner Untersuchungen nur wenig erzählt hatte.

Als sie sah, wie es ihm schmeckte, wagte sie die Frage: „War die Spur, der du gefolgt bis, die richtige?“

Er blickte sie an, nahm einen Schluck Rotwein und sagte: „Es sind viele Spuren, zu viele.“

Und nach einer Pause: „Es sind viele Täter, und sie sind alle schuld. Ich kann sie nicht alle verhaften. Keinen einzigen, um genau zu sein.“

Was wirst du tun?“ fragte sie ihn, als er nach dem Essen seine Pfeife stopfte. Sie wusste, dass es für ihn noch andere Maßnahmen gab, als jemandem Handschellen anzulegen.

Ich werde nachher noch in eine Bar am Mont Parnass gehen. Habe letzte Woche einen Reporter von Le Monde Diplomatique kennen gelernt. Ich glaube, ich übergebe ihm alle Unterlagen. Wenn dich jemand fragt – du weißt von nichts.“

 

Sprecher 1:

 

Und Donna Leon? Wir wissen, dass sie ihre Romane an der Gegenwartspolitik ausrichtet. Wie ließe sie ihren Kommissar Brunetti in Venedig mit dem Skandal umgehen? Vielleicht so:

 

Sprecher 3:

Brunetti hatte auf ein ruhiges Wochenende gehofft. Die Kastanien waren reif; das war eine Zeit, die er am Herbst besonders mochte. Er sah sich schon bei einem Merlot und guter Musik eine Ente mit Maronen und Orangenschale füllen. Doch es sollte ein Wunschbild bleiben.

Als er heimkam, roch er gleich, dass die Dinge in eine andere Richtung liefen. Denn aus der Küche kam so gut wie kein Geruch. Nur Pasta ohne alles roch nach nichts.

War sie sauer? Er konnte sich nicht erinnern, dass er seine Frau beim letzten Telefonat, vor einer Stunde von der Questura aus, mit einer unbedachten Bemerkung verletzt hatte.

Brunetti gab viel auf Gerüche, im Beruf und privat, und er liebte die Überraschung der Düfte, wenn er am Freitagabend die Haustüre aufsperrte.

Bevor er seine Frau noch fragen konnte, sagte sie: „Es gibt Tortellini mit Radicchio-Salat, ich hatte kaum Zeit zum Kochen. War den ganzen Nachmittag am Telefon und im Internet. Zum Espresso servier ich dir Papier. Ich habe alles ausgedruckt. Es wimmelt von Schurken.“

Du benützt den Plural,“ sagte er trocken.

Im Zeitalter der Globalisierung ist alles im Plural“, sagte sie.

Brunetti liebte sie doppelt, wenn sie Sätze wie diese von sich gab.

Schade, dass ich dich nicht zu meiner Mitarbeiterin ernennen kann“, sagt er.

Red keinen Quatsch“, sagt sie und füllte die Teller.

Die Tortelini waren schnell verspeist. Der Aktenstoß neben der Serviette reichte von Unterlagen der italienischen Sektion von Ärzte gegen den Atomkrieg, attac, dem Europaparlament, den Juristen für soziale Verantwortung bis zu hin zum einem vertraulichen Papier des italienischen Verteidigungsministeriums. Wie war sie nur daran geraten? Er schüttelte bewundernd den Kopf.

Sie sprach weiter, während er blätterte: „Nachher kommt Dario, ein alter Hase vom Fernsehen. Die Chefredaktion lässt ihn seinen Film nicht machen. Wir wollen zusammen eine Website einrichten. Und auf der nennen wir alle Mörder beim Namen. Du bist gerne eingeladen, deine Unterlagen uns zuzuspielen, bevor sie in den Aktenschränken der Questura verschwinden.“

Er erkannte in diesem Moment, dass er eigentlich keine Wahl hatte: Er musste seiner Frau den Fall überlassen.

 

Musik: Rahim Alhaj

 

Sprecher 1:

 

Und wie schaut die Wirklichkeit aus, während das Jahr 2008 zur Neige geht? Wie geht die Zivilgesellschaft im Westen damit um? Während die Medien das Thema weitgehend aussparen, arbeiten die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Organisation „Ärzte zur Verhinderung des Atomkriegs“, IPPNW, und die in London ansässige und weltweit tätige Initiative „International Coalition to Ban Uranium Weapons“, abgekürzt ICBUW, gemeinsam mit den blockfreien Staaten an einer Ächtung aller Uranwaffen. Federführend an der Ausarbeitung beteiligt ist der Berliner Jurist Manfred Mohr:

 

O-Ton 25: Mohr

 

Die Ächtung der Uranwaffen, Uranmunition , ist ein weit gestecktes ehrgeiziges Ziel der internationalen Koalition. Ächtung begreifen wir als eine Art-Außer-Recht stellen des ganzen Waffenarsenals Uranwaffen, das heißt: ihre Vernichtung, vorhandene Bestände sollen beseitigt werden, man soll nicht weiter zu diesen Waffen forschen, man soll sie nicht lagern, man soll sie nicht verbreiten, es ist ein ganz umfassendes Verbotsregime, das weit über ein Verbot der Anwendung hinaus geht. Wir haben uns in der Coalition to Ban Uranium Weapons, in dieser Anti-Uranwaffen-Koalition darauf geeinigt, eine ganz breite Definition anzuwenden, also Uran in Geschossen, als Ummantelung; Uran in der Panzerung von Waffen, Uran in verschiedensten militärischen Zusammenhängen. Die Anwendung, der Einsatz von Uranwaffen ist bereits völkerrechtlich bedenklich, wahrscheinlich sogar illegal, wir wollen jetzt über die Ächtung erreichen, dass diese inhumane Waffe vom Erdball verschwindet. Und das geht nur über einen umfassenden Vertrag mit Hilfe der Vereinten Nationen. Oder aber durch eine Gruppe von Staaten, die diesen Prozess in Gang setzt, wie damals der Oslo-Prozess zu den Splitterbomben.

 

Sprecher 1:

Auch der Bundeswehrverband, eine Art deutsche Militärgewerkschaft, will die Initiative unterstützen. Der Bundeswehrverband ist Mitglied bei EuroMill , der European Organization of Military Associations, mit Hauptquartier in Brüssel. Zur Problematik Depleted Uranium der Generalsekretär, Micco Harjulehto:

 

O-Ton 26: Harjulehto:

 

Euromill ist der Dachverband der europäischen Soldaten. Wir vertreten die sozialen und beruflichen Belange der Soldaten auf europäischer, internationaler Ebene. Wir unterstützen die Ächtung von Uranmunition. (…) Im Rahmen eines normalen Vorsorgeprinzips sollte man schon diese Munition vermeiden. Uranmunition enthält Schwermetalle, ist daher toxisch, es gibt des Weiteren zu viele Verdachtsmomente ob einer möglichen karzinogenen Wirkung wegen der Radioaktivität von abgereichertem Uran. Wir haben daher vier Forderungen:

  • Das eine ist die Ächtung
  • Das zweite ist die medizinische Untersuchung der Soldaten, die in den Friedenseinsatz geschickt werden; medizinische Untersuchungen vor, während und nach dem Einsatz
  • Wir fordern weiter eine Untersuchung der Stationierungsgebiete, in denen möglicherweise abgereichertes Uran benutzt worden ist, wir fordern da Bodenproben und Grundwasserproben
  • Und als letztes verlangen wir natürlich eine Aufklärung der Soldaten, die in den Einsatz geschickt werden, ob der möglichen Gefahren.

 

 

Sprecher 1:

Es scheint, als seien die Tage gezählt, in denen Kriege mit Depleted Uranium geführt werden. Halt! Wir dürfen die NATO nicht vergessen. Sechs Wochen liegt der erste Kontakt zurück. Kurz vor der Produktion dieser Sendung kommt es schließlich zu der Aufzeichnung einer offiziellen Stellungnahme im Studio der NATO in Brüssel. Als Sprecher tritt Martin Erdmann ans Mikrophon, der beigeordnete Generalsekretär für politische Fragen:

 

O-Ton 27: Martin Erdmann

 

Die NATO selber als Institution verfügt über keinerlei Munition. (…) Wir selbst haben allergrößtes Interesse als Allianz, als Kollektiv der NATO-Mitgliedstaaten zur Aufklärung beizutragen. Ich glaube, man muss eines im Hinterkopf behalten bei dieser Debatte: (…)Die NATO hat kein Monopol, sondern es ist ein Schwermetall, das zur Härtung und zum Schutz vor radioaktiver Strahlung in vielen Bereichen auch im zivilen Leben genutzt wird. Es gibt bisher keinerlei Hinweise darauf, dass abgereichertes Uran schädlich ist. Wir haben zahlreiche Untersuchungsergebnisse zusammen gestellt, von Organisationen, die sich damit systematisch beschäftigt haben, und es ist bisher kein Nachweis erfolgt, dass abgereichertes Uran zu Gesundheitsschädigungen führt. (…) Jedes Mitgliedsland in der NATO ist frei, sich zu entscheiden, welche Art von Waffen es benutzen will, Belgien hat sich gegen die Nutzung von Munition mit abgereichertem Uran entschieden, und zwar mit Wirkung von Sommer 2009 an, Belgien ist bisher das einzige Mitgliedsland, das sich so entschieden hat. Welche Konsequenzen dies im Rahmen der NATO hat, muss zu einem späteren Zeitpunkt erörtert werden. (…) Es könnte sich, hinsichtlich der gemeinsamen Operationen und Missionen ein Problem ein Problem hinsichtlich der Inter-Operabilität stellen,

(…) Es gibt zum Thema Munition mit abgereichertem Uran eine seit zwei Jahren andauernde Debatte in den Vereinten Nationen, diese Debatte, das wissen wir heute schon, wird bis 2010 weitergehen, es ist nicht erkennbar, dass Länder in der Generalversammlung eine Ächtung von Uran abgereicherter Munition anstreben. Im Übrigen ist auch wichtig, zu vermerken, dass Waffen mit abgereichertem Uran keine Nuklearwaffen sind, sondern konventionelle Waffen, deshalb würde ich heute ungern spekulieren, was denn eine nicht-erkennbare Ächtung solcher Munition an Konsequenzen für die NATO haben könnte. (…)Eine Ächtung sehe ich nicht einmal am weiten Horizont auftreten .

Sprecher 1:

So spricht die NATO im Jahr 2008. Wenden wir unser Augenmerk jetzt über den Atlantik nach New York, wo am Dienstag dieser Woche die Ächtung von Uranmunition auf der Agenda der UNO stand und sich 141 Staaten für eine Ächtung ausgesprochen haben.

Und wo schon seit dem ersten Golfkrieg der ehemalige US-Justizminister Ramsey Clark ein Verbot sämtlicher Uranwaffen fordert. Clark verfasste damals eine Streitschrift mit dem Titel „Metal of Dishonor“. Statt Medaille der Ehre: „Metall der Unehre“. In den Angriffskriegen Desert Storm und Desert Shield hat die US-Armee, nach eigenen Angaben, 940 000 Urangeschosse und 14 000 Urangranaten verschossen. Es war die erste Anwendung dieser neuen Geschosse.

Clark, der immer eingreift, wenn Unrecht Recht genannt wird, wird dann vielleicht die späte Genugtuung erfahren, dass das Recht sich hier seinen Weg gebahnt hat.

 

Sprecher 2:

 

Genugtuung wird auch Kenny Duncan haben, der erste britische Golfkriegsveteran, dem 2004 ein englisches Gericht bescheinigte, durch Uran auf dem Schlachtfeld zum Invaliden geworden zu sein. 1991 reparierte er getroffene Panzer. Kenny hat einen Sohn mit gespaltenen Ohren und zusammen gewachsenen Fußzehen. In Frieder Wagners Film „Deadly Dust“ sitzt Kenny mit seiner Frau auf dem Sofa und erzählt:

O-Ton 28:

Kenny Duncan

We were climbing …

Wir sind da rumgeklettert, haben darin gearbeitet und wir trugen keine Schutzanzüge. Wir haben den Staub eingeatmet, waren über Monate hohen Konzentrationen des Giftstoffes ausgesetzt

we were exposed to.

Seine Frau:

The last five, six years have been the hardest…

Die letzten fünf sechs Jahre waren die schlimmsten, er hat jede Nacht Muskelkrämpfe, er hat Zuckungen und Anfälle, und ist deswegen in Behandlung, es ist immer etwas, er spuckt Blut, und wir wissen nicht woher es kommt.

..don’t know where it’s coming from.

Musik: (beginnt lange unter dem Text)

 

Nachrichtensprecher: (über Musik)

 

Das war: “Der Staub des Todes”, eine Spurensuche von Claus Biegert über die Folgen der Uranmunition.

 

Sprecher 1: Wer soll das letzte Wort haben? Keith Baverstock!

O-Ton 29:

To the secretary general they have said… New evidence from recent epidemiological experimental studies will be reviewed, however no major deviation from the previous conclusion is expected. I find this absolutely astonishing. There 16 peer review papers suggesting genotoxicty and it seems there are not going even to mention that. That’s totally astonishing.

Sprecher 3:

Die WHO hat dem UN-General Sekretär geschrieben, dass sie nicht erwartet, dass bei einer neuen Prüfung die medizinischen Ergebnisse sich von den früheren Daten unterscheiden werden. 16 Studien, die auf eine Schädigung des Erbguts hinweisen, werden einfach ignoriert. Es ist nicht zu fassen!